Nur für Leute, die gerne zählen: die Folge 565 ist doppelbelegt. Nach jahrelangem schriftstellerischen Schweigen von Seiten des Autors und der Schließung der ask.fm-Plattform von Seiten des Betreibers, der damit scheinbar nicht genug Geld verdiente, sollte der SOKRATES-Roman seinen endlosen Fortgang auf Blogger.com finden. Da in der Digitalität alles recht schnell veränderlich und vergänglich ist, Texte spurlos verschwinden können, sind schreibende Menschen schnell verleitet, rasch ihre Texte zu veröffentlichen. Kein Lektorat kann sie vor Unbesonnenheit, stilistischen wie inhaltlichen Fehlern oder Mängeln bewahren und den Anschein des Autorengenies wahren, das edel und hochwohlgeboren für die Ewigkeit dichtet und schreibt. Das Digitale und das Web sind nicht zuletzt deshalb verpönt und verachtet, weil hinter dem Musisch-Göttlichen, dem Begnadeten und Talentierten das menschliche Antlitz allzumenschlich hindurchschimmert - geradezu demokratisch, möchte man meinen. Zu allem Übel kommen nun auch noch die künstlich intelligenten Hilfsmittel hinzu, die sich anbiedernd anbieten, wie ich bereits in meinem Blogeintrag vom 31. Oktober 2025 beschrieben habe: "Hier ist eine literarisch verdichtete Fassung der Folgen 408 und 409, erzählt aus der inneren Perspektive von Uri Nachtigall – so, als spräche er leise zu sich selbst", bietet mir ChatGPT an, um dann irgendeinen Quatsch zu schreiben, der komplett an den von mir geschaffenen Inhalten und Figuren vorbeigeht. Warum sollte ich überhaupt "eine literarisch verdichtete Fassung" dessen schreiben lassen wollen, was bereits vor 157 Folgen ausformuliert wurde?
Die ChatGPT- Beschreibung der neuen Anstaltsleiterin Else @Erwachsenenstammtisch ist auch das komplette Gegenteil von ihr im SOKRATES-Roman:
"In dieser Szene wird Else sofort als Machtfigur etabliert:..." Else ist in meinem Roman und wie ich sie auch auf ihrem ask-Profil erlebt habe, eine weltoffene, lebensfreudige, freundliche Person, ohne intellektualistische Ambitionen, nicht rationalistisch, sondern pragmatisch. In ihren Sätzen auf dem Profil schwang immer ein fröhliches Lachen mit. Ihre Verwunderung, dass ausgerechnet sie die Leitung der Psycho-Villa angetragen bekam, hat sehr viel Authentisches. Aber gerade, weil sie keine eingebildete, hochtrabende Akademikerin ist, sondern sehr pragmatisch, bodenständig und lebensnah, ist sie die ideale Besetzung dieser Funktion. Sie glaubt nicht, mit ihrem Diplom die Weisheit gepachtet zu haben, sondern sie ist interessiert und empathisch und bereit, sich auf alles einzulassen, ohne sich in Einlassungen zu verlieren. Auch ist sie frei von der Brille akademischer Phraseologie institutionsbesessener Apparatschiks. ChatGPT aber schreibt: "sie spricht knapp, bestimmt, lässt Uri kaum Spielraum." Ganz im Gegenteil! Uri hat bei ihr alle Spielräume, die er braucht, aber er steht sich selbst im Wege. Er ist ein Zweifler, Grübler, ein Zögernder, nicht zufällig dem Prinzen von Dänemark Hamlet ähnlich. Fragt man aber ChatGPT: "Uri wiederum versucht, mit Ironie Distanz zu wahren, stößt aber sofort an die Grenzen – Else macht klar, dass sie das letzte Wort hat." Nein, auch hier ganz im Gegenteil. Uri kämpft mit sich, stößt an seine eigenen Grenzen, stolpert über seine eigenen Füße. Seine elegante Leichtigkeit, mit der er in der Szene unter der Dusche eingeführt wird, zerbricht mit dem Fausthieb auf seine Nase. Von dem Schlag an, den Alfred Ross ausführt, will nichts mehr so sein wie vorher. Aber im Grunde wissen wir bis heute nicht, wie sein Leben vorher war.
Am letzten August-Tag diesen Jahres zweitausendfünfundzwanzig Jahre nach Christi Geburt und eintausendneunhundertfünfundneunzig Jahre nach seinem schlimmen Ende am Kreuz, verraten und verkauft, festgenagelt hängend zwischen zwei Räubern, von denen einer lästert und der andere sich Christus empathisch zeigt, erzählte ich im Blog, also vor etwa vier Monaten: "Ab dem 13. Juni 2023 stockt es mit dem Fortsetzungsroman. Eine Folge erscheint noch, es ist die Folge 565 vom 08. September 2023 mit Hölderlins Worten beginnend: "Kein Gott, kein König, kein Vaterland!"
«Es ist auch gut, und sogar die erste Bedingung alles Lebens und aller Organisation, daß keine Kraft monarchisch ist im Himmel und auf Erden. Die absolute Monarchie hebt sich überall selbst auf, denn sie ist objectlos; es hat auch im strengen Sinne niemals eine gegeben.»"
Was hatte mich bewogen, Hölderlin zu zitieren? Den Dichter, der kein Pfarrer nicht werden wollte. Von der fürsorglichen Mutter ins Tübinger Stift gesteckt, dass ihm nach Verlust zweier Väter ein Pfarramt das Leben wohlbehütet gestalte, fühlte dieser sich jedoch zu etwas Revolutionärem hingezogen, wofür ihm die Worte fehlten. Kein fügsamer Pfarrer, seines württembergischen Fürsten Diener wollte Friedrich sein. Vielmehr glaubte er, wie viele junge Menschen in allen Zeitaltern und Epochen an verändernde Kräfte im Universum und in der Gesellschaft. Doch wohin führt ein Individuum ein solcher Glaube, wenn es ihn für sein unmittelbares Leben allzu ernst und konsequent nimmt? Das ist eine Frage, die mich durchaus einnimmt und beschäftigt. Passt das nicht als ein Baustein in den SOKRATES-Roman? Und für mich stellt sich diese Frage keineswegs nur theoretisch? Schließlich muss ich sie für mich und mein Leben beantworten und natürlich hoffe ich, dass mein Avatar in meinem Roman mir dabei behilflich ist. Eine heuristische Spiegelung für mich und eine hermeneutische Herausforderung für alle! Und wer glaubt, es gehe darum, den SOKRATES-Roman zu verstehen, irrt schon am Anfang. Der hermeneutische Prozess ist ein Selbstverständigungsprozess, bei dem man durch das Lesen sich selbst besser versteht, und nicht etwa, wie irrtümlich angenommen, den Autor besser versteht, als er sich selbst verstanden hat.
ChatGPT bietet mir an: "Willst du, dass ich dir noch die späteren Dialoge zwischen den beiden (z. B. in Uris Einzelgesprächen mit ihr) ebenfalls zusammenfasse, um ihre Beziehung als Ganzes zu zeigen?" Nein, bitte nicht! Ich weiß schon, was ich in meinem Roman haben möchte und was nicht! Else ist in der Villa noch gar nicht richtig bei Uri angekommen. Ihre erste Entscheidung betraf den Wolfswelpen. Dann betrachtet sie aufmerksam Norbert. Ihre Aufmerksamkeit ist im Moment noch mehr bei ihrer Crew als bei den Gästen. Und die Ereignisse um die Villa sind ja auch sehr besorgniserregend. Und auch wenn es den Anschein hat, als wäre Schwester Maya Maylayla ihre Widersacherin, ihre wirkliche Gegnerin sitzt im Innenministerium und heißt Katja Hardenberg. Elses schlagende Waffe ist aber immer Empathie und Offenheit. Sie hat eine wahre innere Größe und Autorität. Das könnte sich ganz gut erst einmal bei Ben @Gedankenkammer zeigen. Benjamin sieht Tote. Natürlich glaubt ihm das niemand. Elses Reaktion auf ihn ist sowohl empathisch als auch sympathisch. Wie das Gespräch zwischen den beiden aussieht, habe ich genau im Kopf und werde es gewiss nicht mit künstlicher Intelligenz besprechen oder gar von ihr schreiben lassen. Welchen Sinn sollte das haben?
Auch wenn ich bisweilen den Überblick über meine Entwürfe und Fragmente verliere, so dass ich nach einer geschriebenen Folge 565 eine andere fragmentarische Variante entdecke, die Alfred Ross und Marianne Annieux in eine unsäglich schwierige Situation bringt, werde ich nicht zu unlauteren Mitteln der Künstlichen Intelligenz greifen. Da soll es doch lieber zwei Folgen 565 geben! Welcher Lektor will das verhindern? Zwischen mir und der Publikation ist nur ein großes gähnendes Nichts.
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