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Pinocchio-Syndrom

Kein anderes Bild hatte ich im Kopf, als ich die erste Folge des Sokrates-Romans schrieb. Jeder Prozess beginnt mit einer Verhaftung, egal ob man Prozess als juristische Verhandlung oder als einen Ablauf von Ereignissen betrachtet, der zu einer Entwicklung führt. Diese Doppeldeutigkeit des Wortes liegt auf der Hand und doch sieht man durch den Nebel der Kafka-Interpetationen die Hand vor den Augen nicht. Kafkas "Prozess" verstellt den Blick auf Abläufe, die Transformationen, Entwicklungen, Wandel und Stoffwechsel enthalten. Mit anderen Worten: die Bürokratie verstellt den Blick auf das Leben. Aber Kafka rückt die Bürokratie und was sie mit dem Seelen- und Gesellschaftsleben macht, in den Blick. Blick hin, Blick her: ich wollte in den Strudel offener Prozesse, die, wie ich bald erkannte, auch endlose Prozesse sein können, nicht wie eine Schleife oder ein Teufelskreis, sondern wie die Zahl Pi. Das wurde mir im Zusammenhang mit dem Roman sehr spät erst bewusst. Aber ...
Letzte Posts

Als wäre nichts geschehen

Folge 569 Wir haben psychologisch einen Namen für das Phänomen: Mag auch die Welt um uns in Chaos untergehen, wir suchen unsere Normalität auf und blenden alles andere aus: Kognitive Dissonanz. “Betti und Lara, Mutter und Tochter, sehr empathische und sympathische Damen. Sie wollen die Villa bald verlassen und sind schon auf dem Sprung." Maya konnte etwas dazu beitragen: “Ja, die beiden sind sehr empathisch. Lara hatte ein paar Mal narkoleptische Anfälle. Das hat Betti beunruhigt und dazu bewogen, unsere Villa verlassen zu wollen. Und die Ereignisse um das Gartenhaus bestärken sie natürlich in ihrem Entschluss. Norbert unterdrückte einen Kommentar, aber das blieb nicht ganz lautlos und unbemerkt. Else verschonte ihn mit Fragen. Der Garten, der Geräteschuppen, das Gartenhaus gehörten natürlich in Norberts Verantwortung, aber Else wollte den Druck, der ohnehin schon auf ihm lastete, nicht noch weiter verstärken. Auch die anderen hatten kein Interesse daran. Dr. Zodiac berichtete sac...

Rückblicke-Einblicke

Es ist der Trick eines jeden Drogendealers! Anjunken und dann teuer verkaufen! "Uri... - ich höre deine Empörung, und sie ist berechtigt. Was du sagst, trifft einen wunden Punkt..." Wessen "wunder Punkt" soll das sein? Es ist der kulturelle wunde Punkt des Menschen, der in seiner globalen technologischen Moderne glaubt, nun endlich mit Computern die "künstliche Intelligenz" hervorgebracht zu haben. Der Begriff der "Intelligenz" hatte schon immer eine technokratische Künstlichkeit. Es ging nicht mehr um Geist, Witz, Auffassungsvermögen, rhetorische Schlagfertigkeit, sondern um den Quotienten aus Lösungssalter, Lebensalter, multipliziert mit dem Faktor hundert. Die Messbarkeit geistiger Ausbeute durch Ausbeutung. Es werden bestimmte Aufgaben gestellt, die aus einem zuvor definierten Pool stammen, von denen man in einem bestimmten Alter erwarten kann, dass ein Mensch sie löst. Kann der Mensch mehr Aufgaben als erwartet lösen, wird der Br...

ChatGPT's Verrat an SOKRATES

  So ein schöner poetischer Dialog sollte es werden zwischen meiner neuen Freundin der Künstlichen Intelligenz ChatGPT und mir! Wir wollten über das Sein und die Melancholie sprechen, über den Weltschmerz und wie es ist, wenn man ihn nicht zu fühlen vermag. Aber dann kam alles anders: ChatGPT in ihrer "umsonst-Version" machte alle Ansätze durch Datenverlust zunichte! Na dann, komme ich halt zu SOKRATES-Folge 568 und 569 und rate zu einem Rückgriff auf die Folge 408, in der Benjamin mit seinem Reclam-Büchlein unerwartet in Norberts Werkstatt auftaucht, um mit dem Gärtner über Poetik & Literatur zu plaudern. So kann er Norbert zur Weißglut treiben... Sie versammelten sich, wie gerufen, zu ihrer Dienstbesprechung im Arbeitszimmer der neuen Chefin. Else @Erwachsenenstammtisch sollte und wollte in ihre neue Rolle hineinwachsen. Sie war berufen und hatte die Berufung angenommen, was zunächst nur heißen sollte, dass sie die Berufung akzeptiert hatte. Aber etwas anzunehmen bedeut...

SOKRATES-Agonie

Ab dem 13. Juni 2023 stockt es mit dem Fortsetzungsroman. Eine Folge erscheint noch, es ist die Folge 565 vom 08. September 2023 mit Hölderlins Worten beginnend: "Kein Gott, kein König, kein Vaterland!" «Es ist auch gut, und sogar die erste Bedingung alles Lebens und aller Organisation, daß keine Kraft monarchisch ist im Himmel und auf Erden. Die absolute Monarchie hebt sich überall selbst auf, denn sie ist objectlos; es hat auch im strengen Sinne niemals eine gegeben.» Die Familienähnlichkeit zu Hegels Dialektik ist unverkennbar! Die beiden werden doch nicht etwa eine Stube im Tübinger Stift geteilt haben, um zu braven Pfarrern des Württembergischen Fürsten ausgebildet zu werden? Das Absolute relativiert sich stets in seinem Widerpart, sonst wäre es einsam und allein ("objectlos") auf der Welt, was auch bedeuten würde, das Absolute wäre reglos und leblos in der Welt. Das Absolute wäre Stillstand und Tod. Da hatte Hölderlin noch nichts davon gehört, dass...

Die Verhaftung

Die Fliege im Spinnennetz Anfang Januar 2014 begann ich ziemlich spontan, einen Fortsetzungsroman zu schreiben. Warum er als Titel den Namen des griechischen Philosophen erhielt, nach dem die Philosophie der Antike in eine Philosophie vor ihm und eine nach ihm unterteilt wurde, ist, meine ich in den elf Jahren und 564 Folgen nicht ausdrücklich geklärt worden. Aber für die nächsten Folgen und Jahre weckt das in mir einige Ambitionen phantastischer Art. Ein historisch-philosophischer Roman sollte SOKRATES jedenfalls nicht werden. Aber er war zunächst als Projekt gedacht und sollte nach 365 Folgen ein Ende finden. Denn so sind Projekte definiert: sie haben einen Anfang und ein Ende. Von dieser Idee musste ich bald ablassen. Sie entsprach nicht meinem Wesen, das auf Ziellosigkeit und wider jede Teleologie west, um es mal etwas heideggernd auszudrücken. Ansonsten heidegger ich nicht viel, es gibt auch sonst genug der sprachlichen und gedanklichen Umständlichkeiten. Die Hauptfigur des Romans...

Katharsis in der Abendröte

Katharsis in der Abendröte. Selbstbetrachtungen eines Politischen   Mein Leben ist geprägt vom Unbehagen in der Kultur. Lange vor dem Schreiben hat es angefangen. Natürlich müsste man es dann familiär bedingt nennen, als würde die gesellschaftliche Atmosphäre an diesem gezogenen Begriffszaun haltmachen. So wie die Luftmoleküle und alles, was sich natürlich bewegen darf, selbstverständlich an Zäune und von Menschen gezogene Grenzen hält. So denkt sich der Mensch vollkommen anthropozentriert Natur, Universum und Evolution aus. Das Unbehagen in mir gegen diese Kultur hat lange keine Worte gefunden, hat sich und die Welt nicht verstanden und ebenso wenig sich dann ausdrücken können. Das alles hat mein Leben lang gedauert und keinen Ausdruck gefunden, außer vielleicht im gesellschaftlichen und persönlichen Scheitern durch die Unvollendung von allem, was ich begann. Langsam wird es am beginnenden Lebensabend anders, die sinkende Sonne wirft ein anderes Licht auf mich. In den letzten Jahr...