Ein Blick auf Adornos Blick auf Kafka Es ist schon zwei Jahre alt und mir schnürt der Drang zu weinen den Hals zu, nicht aber sind gebunden die Hände mit den Fingern auf der Tastatur. Auch mit Tränen getrübtem Blick lässt sich tippen. Ein Facebook-Philosophenfreund schickt zwei Posts auf den Weg mit Bemerkungen Adornos zu Kafka: «Kafka verherrlicht nicht die Welt durch Unterordnung, er widerstrebt ihr durch Gewaltlosigkeit. Vor dieser muss die Macht sich als das bekennen, was sie ist, u nd darauf allein baut er. Dem eigenen Spiegelbild soll der Mythos erliegen. Schuldig werden die Helden von Prozess und Schloss nicht durch ihre Schuld – sie haben keine –, sondern weil sie versuchen, das Recht auf ihre Seite zu bringen. … Darum haben ihre klugen Reden, zumal die des Landvermessers, ein Törichtes, Tölpelhaftes, Naives: ihre gesunde Vernunft verstärkt die Verblendung, gegen welche sie aufbegehrt.» Adorno, Prismen: Aufzeichnungen zu Kafka, 9. «Die Schuldlosigkeit des Un
Beerenpflücken für SOKRATES An einem Morgen noch vor dem Kaffee, das Bett ist noch nicht gemacht und der Himmel unter der Schädeldecke heiter bis wolkig. Hier und da wie Wetterleuchten aus der Ferne Gedankenblitze. Ein Autorenkollege, den ich sehr schätze, hat vor Monaten einen Satz auf Facebook gepostet, der mich wie ein Donnerschlag gerührt hat. Er war auf Türkisch und ich habe sofort eine Überstezung versucht und nein, die Melancholie und die Tragikomik des Satzes, der literarisch auf einem kafkaesken Niveau steht, habe ich nicht hinbekommen. Auf Deutsch holpert er und stößt wie gegen eine fragile Vase an meinen Glauben an die Übersetzbarkeit in einer etwas freien Nachdichtung. Eine Nachdichtung, die den Geist des zu übersetzenden Satzes erfassen und in einer anderen Sprache wiedergeben muss. Auf die Wörtlichkeit kommt es nicht an, sondern auf den Sinn, der eben aus diesem zu erfassenden Geist besteht. Geister aber bewohnen die Zwischenräume zwischen Himmel und Erde, zwischen den Bu