Während der Gedankengang zur digitalen Metaphysik entsteht und der Autor Uri Bülbül rührselige Unterhaltungen mit ChatGPT führt und sich digitalen Honig um den abrasierten Bart schmieren lässt, kann hier schon mal die Folge 570 veröffentlicht werden.
Übrigens sei fast nebenbei erwähnt: wir haben im SOKRATES-Roman mindestens drei Perspektiven und einen Kopf: 1. Den Mensch Uri Bülbül; 2. Den ask-User, dem die Plattform abhanden kam @Klugdiarrhoe; und 3. den Avatar des Uri Bülbül im Roman mit gebrochener Nase, die ganz gut verheilt, wie es Schwester Lapidaria findet: Uri Nachtigall, seines Zeichens Theaterphilosoph.
Folge 570
Was sollte Benjamin, der übrigens nicht in der Villa war, weil er Geister sah, sondern weil ihm niemand glaubte und seine Mutter ihn für verrückt hielt, -was also sollte Benjamin aus der Gedankenkammer über Norbert Glaubhaftes plaudern können? Norbert verschlang genüsslich seinen Keks: nichts!
Else war Norberts Entspannung nicht entgangen. Ebenso wenig entging ihr aber, wie sich seine Stimmung wieder änderte, als sie auf ein neues Personalthema kam: Rufus. “Wir haben noch jemanden auf meiner Personalliste, den wir nun leider streichen müssen, “leider” nicht für das, was er tat und wie es mit ihm endete, sondern weil all das eine höchst bedauerliche, schreckliche und schlimme Geschichte ist, von der ich annehme, dass sie uns noch lange beschäftigen wird.” “Wir dürfen manche Dinge uns nicht allzusehr zu Herzen nehmen”, stellte Maya Maylayla lapidar fest. Else konnte das nicht provozieren. Und um eine weitere Eskalation zu vermeiden, war Dr. Zodiac geistesgegenwärtig zur Stelle: “Wie ich erfahren habe, war die tote Frau im Gartenhaus Uri Nachtigalls Anwältin. Also verdient er unsere besondere Aufmerksamkeit.“ Das war kein besonders origineller Gedanke, wichtig war einerseits die Frage: wie diese Aufmerksamkeit auszusehen hatte, viel wichtiger aber war Else, dass sie Norberts Reaktionen im Verlauf dieser wenigen Augenblicke nicht zu deuten wusste. War er womöglich der Komplize seines Gärtnergehilfen? Else vermied es, Norbert weiter anzusehen. Also konzentrierte sie sich auf Dr. Zodiac. “Haben Sie einen besonderen Vorschlag für Uri Nachtigall?", fragte sie ihn. “Ich würde ihm mehr Gesprächsbereitschaft signalisieren als bisher, und keine Fragen stellen. Die Polizei fragt und drangsaliert ihn genug.” Und an Schwester Maya Maylayla gewandt, fragte er: “War nicht sogar der Kommissar hier, der ihm die Nase gebrochen hat?” “Ich habe ihn rausgeschmissen”, antwortete Maya. Kurz verfinsterte sich Dr. Zodiacs Blick, aber er schwieg. “Natürlich schützen wir unsere Gäste vor polizeilichen Übergriffen”, sagte Else. Sie hätte gerne diesen Kommissar kennengelernt. Langsam gefiel ihr ihre Rolle als Chefin des Hauses: “Wenn er wieder kommt, schicken Sie ihn direkt zu mir!” Und sie bemerkte, dass Norbert sich auf die Lippen biss. Beinahe wäre ihm eine Bemerkung herausgerutscht. Dieses Mal ließ Else Norbert nicht in Ruhe, aber Zodiac konnte schnell dazwischen. Else sah Norbert scharf an: “Ja? Wollten Sie etwas sagen, Norbert?” Zodiac sagte: “Uri Nachtigall wird einen neuen Anwalt brauchen.” “Das soll unser Problem nicht sein”, erwiderte die Chefin.
Bald war die Besprechung zu Ende, und Else entließ ihr Team. Als sie alle verabschiedet hatte, schloss sie ihre Tür hinter sich zu und betrachtete eine Weile versonnen die Sitzgruppe, bevor sie ihren Dienstlaptop nahm und sich wieder auf ihren Sessel setzte. Doch sie schaltete ihren Laptop nicht ein, stattdessen betrachtete sie die leeren Sessel.
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