Mittwoch, 05. Februar 2025
Wie durch Zufall entdecke ich in meinen Dokumenten das Hölderlin-Zitat «Seit ein Gespräch wir sind und hören voneinander…» Was für eine wundervolle Formulierung! Wir sind ein Gespräch! Der Tag beginnt zwar mit Unruhe über die Existenzsorgen einfachster materieller Art, Unruhe in mir, aber kann relativiert und gezügelt werden, endete doch der gestrige Tag mit Projektplanung.
Daran wollte ich eigentlich auch gleich heute Morgen anknüpfen und weitermachen, aber ich lasse Zeit verstreichen, flüchte in Schlummer und Halbdämmerzustand meines Bewusstseins, als würde ich die Angstattacken, die da ausgelöst werden können, aufsuchen und provozieren wollen. Die Gedanken gehen zum SOKRATES-Blog. Wie will ich mit dem Roman und seinem Kosmos verfahren? Da bemerke ich, dass ich den Titel der beiden fiktiven Romane, die Uri Nachtigall im Regal in der Psycho-Villa findet, vergessen habe! Es ist ein kleines Alarmzeichen, eher weniger: ich will es nicht übertreiben: eine Warnung! Also zieht es mich in den Roman; und da stoße ich auf das Hölderlin-Zitat: Habe ich mich vertippt? Ist es Zufall, dass da steht: “Seit ein Gespräch wird sind”? Und heißen müsste es: Seit “in” Gespräch wir sind? Nein, ich google sofort. Ein technischer Segen, und es klärt sich auf und eröffnet mir eine Gedankenwelt! So schöne himmlische Dinge beschäftigen mich! Danke dem Universum, dass dies mir möglich ist!
Und die beiden Bücher heißen:
“Paradiesologie” und “Der sprechende Delphin!”
Nun schnell zum SOKRATES-Blog!
Für das Blog zeichnet sich langsam ein Hauch von einer Strategie ab! Es ist die Wiederentdeckung meines Romans und mehr noch: die Wiederentdeckung meines POETISCHEN SELBST!
Oder ist es eine Neuentdeckung?
Ja, ich glaube eher an eine Neuentdeckung, denn ich habe mein eigenes Schreiben, mein POETISCHES SELBST bisher nur durch den Schleier bürgerlichen Nebels wahrgenommen. Nicht als Subjekt, nicht selbstbestimmt, nicht in Freiheit, sondern in all den Bildern, die mir gesellschaftlich und kulturell überformt und in Entfremdung vermittelt und vorgegeben wurden. Langsam reifen Poetik & Philosophie! Ihre Sonne vertreibt den Nebel.
All diese Schleier, wie ein Mensch in der Schriftstellerei zu sein hat: vor einer Schreibmaschine im Garten oder in einem Zimmer vor einem unaufgeräumten Bücherregal voller Bücher, schreibend, oder denkend, gekennzeichnet durch Rauch und Wein, oder mit einem großen Umschlag auf dem Weg zu einem Briefkasten an einen Verlag, mit voller Hoffnung, Beachtung zu finden, Anerkennung, ein Publikum, Rezensionen und womöglich Buchpreise. Alles, was der Apparat an Entfremdung als Service zu bieten hat! Das war ich alles und war es nicht.
Ich habe keinen Verlag, niemand lektoriert und betreut mich in der Hoffnung und mit Aussicht auf Rentabilität, Profit. Niemand sagt: "Ja, den Bülbül, den können wir gut vermarkten, verkaufen, er ist gut!"
Bin ich deshalb schlecht?
Wer hat mich je gelesen? Wer hat mich je zu verstehen versucht?
Wenn ich meine Texte zeigte, kamen Verbessrungsvorschläge und Geschmacksurteile zurück oder am besten die Ausrede, weil man keine Lust zur Auseinandersetzung hatte: "Du schreibst sehr anspruchsvoll, sehr schwierig zu lesen und zu verstehen!"
Alles Quatsch! Nichts davon ernstzunehmen. Wir finden in entfremdeten Bildern, Zusammenhängen und Verhältnissen keine Erfüllung, keine Wärme, keine Geborgenheit. Wir sind nie ein Gespräch in einem WIR. Stolz, eitel, anerkannt und preisüberladen können wir sein und hier und da auch gute Verkaufszahlen vorweisen und etwas Geld auf dem Konto, aber EIN GESPRÄCH?
Ich darf euphorisch und optimistisch werden! Ich habe den Titel “Der sprechende Delphin” formuliert, einen Delphin in meinen Roman durch Basti @Maulwurfkuchen einbringen lassen, ohne die eigene philosophische Dimension zu kennen und zu erleben! Das wird heute mit einem Schlag anders: Vor einigen Tagen erst hatte ich an Gela meine Idee von der Relativität der Evolution geschrieben und die These in den Raum gestellt, dass wir vom Anthropozentrismus weg sollten. Aber ja! Das ist im Roman mit dem Sprechenden Delphin sehr gut angelegt. Der sprechende Delphin, Basti, Uri Nachtigall - ich: SEIT EIN GESPRÄCH WIR SIND!
Der sprechende Delphin ist ein Unikat unter den Delphinen, weil er es geschafft hat, "das dicke Brett des menschlichen Bewusstseins zu durchbohren und in telephatische Kommunikation mit dieser Spezies zu treten. Und hierbei denke ich ganz besonders an das Hölderlin-Zitat. Wie kann es ein Gespräch geben, einen Dialog, wenn nicht beide Seiten aktiv ("thätig") sind? Aber da fällt mir auch der Vollmond-Talk mit Afshin Ghavami Kivi ein, der den Gedanken einwarf: vielleicht werden wir eines Tages gar keiner Sprache mehr bedürfen, um zu kommunizieren. Die Inhalte werden immer und überall gleichzeitig sein. Dieses WIR werden wir nicht sein, denke ich und es werden keine Inhalte sein, wenn es keine Gefäße sprich Worte und Begriffe gibt. Ein befremdlicher Gedanke.
Objekt und Subjekt, Sender und Empfänger noch formen sie beide das Gespräch; das Sender-Empfänger-Schema darf darüber nicht hinweg täuschen: der Empfänger sendet Signale noch bevor er überhaupt "Empfänger" geworden ist, die die Art des Sendens beim Sender schon beeinflussen und umgekehrt. Es ist ein Ineinanderfließen! Es ist ein Gespräch, worin wir schwimmen wie ein Delphin im Wasser - eine Atmosphäre, die das Gespräch ausmacht! Ein Vollmond-Gedanke ist das! Das Schreiben an SOKRATES war länger schon zum Erliegen gekommen, als ich mit den Vollmond-Talks begann. Aus einer als singulären Auftritt gedachten Performance wurde eine Reihe von Gesprächen, eine Talk-Serie, ein Format formte sich und die Kolleginnen und Kollegen von der MACHBARSCHAFT BORSIG11 mit ihrem CHANCENRAUM 103 gaben mir und diesem Phänomen eine Chance. Ich weiß nicht, ob wir wussten und wissen, was wir damit taten, aber wir taten etwas, was vielleicht wahrhaft wie wahnhaft dem Vollmond gerecht wird - der ganzen Romantik! Nicht bewusst, aber auch nicht zufällig. Plötzlich waren WIR EIN GESPRÄCH.
SOKRATES kam darin gar nicht vor, soweit ich mich erinnere. Aber woran erinnere ich mich schon! Was überhaupt soll Erinnerung? Da tun sich neue philosophische Finsternisse auf, schwarze Löcher. Nicht dass ich sie scheue, aber sie müssen mich erst einmal anziehen, aufsaugen und dann muss ich mal sehen, was noch ICH sagt und als Autor schreibt.
Und der Schuss, den Basti in die Luft abgibt, in die Decke der Villa schießt, ist wie der Startschuss zu einem Marathonlauf der Erkenntnis zu sich selbst für Uri Nachtigall. Das ist mein Avatar im SOKRATES-Roman. Welchen Verlag, welches Publikum sollte das interessieren, wie sollte damit Kasse zu machen sein? Ich SELBST bin woanders.
Das SOKRATES-Blog ist das hermeneutische Kunstwerk zum SOKRATES-Roman, dem epischen Kunstwerk. Die Begriffe “sekundär” und “primär” taugen nichts, seit EIN GESPRÄCH WIR SIND! Das könnte die Quintessenz der Hypertext-Poetik sein, SEIT EIN GESPRÄCH WIR SIND.
Nun verstehe ich und gebe meinem Roman einen Sinn: die beiden Bücher, die Uri Nachtigall in der Psycho-Villa findet und die von ihm als Autor stammen sollen, "Der sprechende Delphin" und "Paradiesologie" könnten zwei Seiten einer Medaille sein. Der Mensch als Spezies ist aus dem Paradies vertrieben, der Delphin nicht!
Momentan fühlt sich dieser Blog-Eintrag wie eine offene Wunde an. Aber heilen offene Wunden nicht am besten an der offenen Luft? An der offenen Luft der Öffentlichkeit? Welcher Öffentlichkeit?
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